Viviane Gernaert


Foto: Stefan Heine
Amores Parros III, 2010 Zellan, Lack 19 x 30 x 29 cm, Ed. 3 + 1 AP

Momente von Bewegung

 

 

 

 

Die in Hamburg lebende Künstlerin Viviane Gernaert bezieht sich in ihrem plastischen und zeichnerischen Werk auf zeitgenössische Filme des Genres Martial Arts und auf das Kampfspiel abgerichteter Hunde. Beide Interessensgebiete sind mit dem Begriff Gewalt zu fassen.

 

Schaut man sich allerdings die Plastiken und Zeichnungen aufmerksam an, so verliert sich dieser Begriff schnell, denn die eingefrorenen, kraftvollen Bewegungsmomente, die sichtbar bleiben, wirken derartig ästhetisch, dass jedes Moment von Gewalt, Brutalität und Kampf ausgeblendet erscheint.

 

Dennoch weiß der Betrachter sehr genau, dass jenes Damoklesschwert über ihm schwebt, das in sekundenschnelle Real- und Filmfantasien auslösen kann und er sich mit den archaischen Gegebenheiten auseinandersetzen muss, die zu den Begriffen zurückführen können: Ein ambivalentes und durchaus fragiles Verhältnis zwischen Kunst, Ästhetik und Gewalt.

 

Ihre aus fixierten Geweben und Stoffen bestehende Figuren sind Momentaufnahmen eines Bruchteils von Bewegung. Bewegung und Handlung gehen dabei eine kausale Beziehung ein, weil sie einen entscheidenden Moment der filmischen Vorlage repräsentieren. Wie der tatsächliche Ablauf weitergehen könnte bleibt nur dem Filmkenner vorbehalten, den anderen verbleibt ihre Fantasie. Die Objekte sind keine klar umrissenen Figuren, vielmehr suggeriert die Art und Weise der „wehenden“ Erscheinungen Bewegungen sowie das zeitliche Vorher wie Nachher.

 

Für die Künstlerin spielt der Augenblick des Festhaltens einer Dynamik die entscheidende Rolle und die damit verbundene Frage: Wie sie atemberaubende Geschwindigkeit in der Starre einer Skulptur sichtbar machen kann. Dabei bedient sich Viviane Gernaert eines Tricks, denn alle Ihre Objekte prägen die Instabilität des Moments einer nicht abgeschlossenen Handlung. Die Figuren befinden sich im Fall, Sprung, Sturz oder einer anderen vermeintlich instabilen Körperhaltung.

 

 

 

Die in Zellan gegossenen und glanzlackierten Hundeskulpturen bestätigen trotz unterschiedlicher Materialität auf gleichem Wege die Ästhetisierung von Kampfszenen ohne deren Idealisierung. In ihnen spielt jedoch gegensätzlich zu den Gewebeskulpturen nicht die Instabilität den Tenor, sondern das ineinander verkeilte Kraftspiel. Das Gegeneinander zweier kämpfender Hunde ist zeitgleich das Miteinander der physischen Bewegungsrichtung, die sich in den festgebissenen Köpfen als Knoten verdichtet. Verstärkt wird dieser Eindruck durch den von der Künstlerin gewählten Verzicht auf Farbigkeit.

 

Die Hunde sind porzellanhaft weiß oder klavierlackfarben schwarz.

 

 

 

 

 

Claus Friede

Text anlässlich der Ausstellung Schichten im Kunstforum Markert.